
Werkschau: Katalog Titelseite und Einführungstext von K.H. Dautermann und Thomas Nieke der Galerie Keim.
Aus Vielen Eins – Die Summe des Ganzen ist das Resultat des Einzelnen
Claude Stockinger´s Zeitspuren:
Formen und Neuformulierungen als Symbol, Behauptung und Zeitdokument. Das fällt zuerst auf bei Claude Stockinger´s Arbeiten. Hier wird gleichsam eine neue Spur gelegt – eine Zeitspur. Ältere Materialien, Bruchstücke Fundstücke, Gebrauchsstücke, auf jeden Fall Teile mit bereits eigener Geschichte werden dediziert neu aufsummiert. Diese Neukombination vereinzelter skulpturaler Elemente, die durch Zeitläufe aus ihrem Zusammenhängen gerissen wurden, erfahren in Stockinger´s Arbeiten neue Sinnzusammenhänge. Sie erhalten gleichsam eine neue eigene Zeitspur (Aus Vielen Eins – ) .
Die von Claude Stockinger bestimmten „Mixturen“ administrativer, künstlerischer und technischer und Praktiken bestimmen neue Räume. Erschließen sie und machen sie verständlich und zugänglich, indem sie ältere Milieus dechiffrieren und neu kodieren. (- Die Summe des Ganzen ist das Resultat des Einzelnen).
Das setzt aber voraus, das der Weg zum Resultat von vielen Kämpfen sowie kleinen und größeren Katastrophen gesäumt wird, deren Schäden ad hoc zu bereinigen sind. Was fortgesetzt aber auch Überarbeitungen, Korrekturen, Änderungen – auf jeden Fall Qualen – bedeutet.
Was Wunder in einer Zeit in der sich Wahrnehmung einebnet, überreizt vom Bildbeschuss durch Medien und den Gebrauch von Benutzeroberflächen der Bildschirme.
Dennoch, oder auch gerade deshalb, dominiert in Claude Stockinger´s Werken – bei aller Kritik, Schärfe und Ironie – noch die humoristische Distanz und Lust am Arbeiten.
Und die Dimension der Ästhetik. Eine Dimension, die zusehends verloren zu gehen scheint. Denn Ästhetik heißt ja nicht nur „schön“. Ästhetik bedeutet die Summe, gleichsam die Konsistenz der Empfindungen.
K.H. Dautermann 2014
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„Spiel_Gedanken & Gedanken_Spiel“
Als ich 2010 wieder einen meiner Augen und Hirn füllenden Kunstreisen mit Stephan Wünsche
nach Metz unternahm und dort sowohl die altehrwürdige Kathedrale als auch das neue Außenstelle
vom Centre Pompidou besuchte; bestach in den Ausstellungsräumen eine Zeitachse des 20.Jh.
Sie begann mit einem Torso von Rodin und endete mit einer Arbeit von Philip Starck
Dazwischen fanden sich u.a. einige Readymades von Marchel Duchamp und eine surreal/erotische Gliederpuppe des Künstlers Hans Bellmer (1902 -1975) aus den 30 iger Jahren.
Als ich nun zum ersten Male die Arbeite und kinetischen Objekt von Claude Stockinger in seinem Atelier sah, erinnerte es mich an den deutsch /polnischen Bellmer und an die Kunst – und Wunderkammern des 16 Jh., die die Vorläufer der Sammlungen und heutigen Musen waren.
Viel namhaften Herrscher und Künstler dieser Zeit besaßen sie und waren stolz auf die für damalige Zeiten seltenen Kuriositäten.
Claude Stockinger´s Ansatz ist klar: Erkenne das Objekt, begreife es über den Titel und finde deine Interpretation. Er kreiert seine eigene Kuriosenkammer, produziert in hoher Qualität dialogreiche Kreativität und gibt sie uns weiter zum Gedankenspiel. Deshalb auch der Übertitel Spiel_Gedanken & Gedanken_Spiel. Trotz aller Hintergründigkeit der Objekte ist auch ein Augenzwinkern des Künstlers zu verstehen. Er lebt mit seiner Umwelt und nicht dagegen, er philosophiert und reflektiert mit den Gegenständen. Das Ergebnis-wird uns nicht unberührt lassen.
Stockinger´s Fundstücke sind das Grundmaterial, zusammengeführt werden sie kreative Objekte die den Betrachter in eine Falle führen können. Nicht alles was vordergründig scheint ist hintergründig
plausibel . Oftmals bedarf es der Hinterfragung und des eigenen Wissensstandes in Literatur, Musik und Kunst. Jeder Betrachter hat sicherlich seinen eigenen Ansatzpunkt, der über das dargestellte Objekt hinaus geht und darum geht es in der KUNST.
Thomas Niecke 2014